Sonntag, 22. Juni 1997 8

Über den «Jalori Jut» (3100 m)


Unserem ersten 3000er Pass entgegen
Durch enge Täler und schöne Bergdörfer
Der Tag kündigte sich mit lautem Vogelgezwitscher an, das wir, erstmals in der freien Natur schlafend, hoch schätzten. Zudem war das Wetter einfach prachtvoll.
Wir verliessen Ani früh am Morgen, um am heutigen Tag den ersten «richtigen» Pass, den Jalori Jut in Angriff zu nehmen. Die Strasse verlief vorerst einige Kilometer im engen Tal, dem Flüsschen folgend, um dann dem Hang entlang in die Gegenrichtung zu verlaufen. Bald einmal erreichten wir in der Höhe die ersten kleinen Bergdörfer, deren nächtliche Lichter wir in der vorhergehenden Nacht fast senkrecht über uns gesehen hatten. In langgezogenen Schleifen führte die Strasse weiter, immer an Höhe gewinnend, entlang fruchtbarer Äcker, die mit Kartoffeln und Getreide bepflanzt waren. Im Gegensatz zu was wir in den Talorten beobachtet hatten, war in dieser Höhenlage die Getreideernte noch nicht erfolgt.
Ein steiler Aufstieg hinter Khanag
Bettina Selby schreibt zum Jalori Jut, den sie früh im Jahr, als noch Schnee auf dem Pass lag, von Norden kommend überquerte:
« Bevor ich am folgenden Morgen weiterfuhr, versuchte ich vom Chowkidar zu erfahren, ob der Jalori-Pass offen war..... Als einziges konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Strasse kolossal steil sei. Dies war auch wirklich der Fall, wie ich sogleich bemerken sollte. »
Ihre Einschätzung über die südliche Seite:
« .. denn auf dieser Seite lag ebensoviel Schnee, und der Hang war beträchtlich steiler. »
Obschon wir den Pass in einer wesentlich freudlicheren Saison überqueren konnten, und auch im allgemeinen die Schilderungen der Autorin für masslos übertrieben halten, mussten wir Ihr zugestehen, dass der Abschnitt von Khanag bis zum ersten Dorf (Shoja) auf der Nordseite zu den mit Abstand steilsten Strecken gehörte, die wir auf unserer Tour zu bewältigen hatten.
Die Karte weist die Höhendifferenz zur Passhöhe mit je ca. 550 m aus, wobei die Distanz jeweils 7 und 5 km betragen soll. Die Strasse befand sich zum Glück in gutem Zustand mit einem durchgehenden Teerbelag, obschon wir ursprünglich damit gerechnet hatten, im oberen Teil Schotterabschnitte anzutreffen. Das erhöhte die Griffigkeit und ermöglichte es, die Passhöhe fahrend, wenn auch unter grossem Kraftverschleiss, zu erreichen. In den obersten paar Kilometern geht der Nadelwald in einen stark bemoosten, schönen Laubwald über.
Über den Scheitelpunkt des Jalori Jut
Ein Gewitterregen auf der Passhöhe
Kaum hatten Urs und ich die Passhöhe des Jalori Jut erreicht, verdüsterte sich der Himmel und die umliegenden Erhebungen verschwanden in den Wolken. Erste Regentropfen gingen nieder und man vernahm Donnergrollen in der Ferne. Als Nik uns kurze Zeit später ebenfalls erreichte kam heftiger Wind auf und der Regenfall ging gerade in Hagel über. Uns blieb nicht viel anderes übrig, als in einer nahegelegenen Imbissstube Unterschlupf zu finden und den Unterbruch zu einem Mittagessen mit «Reis und Dhal» zu nutzen.
Eine wichtige Nachricht
Vor dem Strassencafé trafen wir mit einem süwärts reisenen Westler zusammen, welcher uns die für unser Weiterkommen wichtige Nachricht bereithielt, dass die Strasse von Manali nach soeben aufgegangen sei. Welch perfekte Zeitabstimmung!
Höhenbestimmung
Der Scheitelpunkt des Jalori Jut wird auf der Himachal Pradesh Karte mit 3223 m angegeben, was auch den Angaben auf den Kilometersteinen am Wegesrand entspricht. Die von uns mittels GPS gemesse Höhe liegt jedoch bei 3100 m, was ebenfalls den offiziellen Angaben entspricht (?), aber von Norden her ausgemessen!
Eine schnelle Abfahrt in wieder wärmere Gefielde
Nachdem sich das Gewitter verzogen hatte, stiegen wir wieder auf die Räder, um die lange Passabfahrt in Angriff zu nehmen. Nach dem Gewitter war es in der Höhenlage relativ kühl geworden, doch die Temperatur stieg mit jedem talwärts zurückgelegten Kilometer wiederum merklich an. Nach etwas weniger als einer Stunde hatten wir den bedeutenden Marktflecken Banjar auf 1524 m erreicht Der Himmel war zu diesem Zeitpunkt wieder klar und die Sonne liess meinen nassen Rucksack wieder trocknen.
Bis nach Larji, dem auserkorenen Etappenhalt, waren noch 21 harte Kilometer im Gegenwind und bei etlichen, kleineren Gegensteigungen zurückzulegen.
Im Guesthouse von Larji
Der Chowkidar ergreift die Gelegenheit
Von den Strapazen des Tages müde kamen wir in Larji an und bogen sogleich beim Schild, welches das PWD Guesthouse ankündigt in die Hofeinfahrt ein. Zuerst sah es einmal mehr nicht so toll aus. Der Verwalter schien unwillig zu sein und berief sich vorerst darauf, dass das Haus voll sei. Wir insistierten jedoch noch geringfügig und tatsächlich zeichnete sich eine Gelegenheit ab. Jedenfalls kriegten wir einen Raum im Erdgeschoss, welcher einen ganz brauchbaren Eindruck hinterliess. Dass wir die Zimmermiete am gleichen Abend zu bezahlen hatten, kombiniert mit dem Hinweis die Formalitäten am nächsten Morgen vor der Abreise zu erledigen, bestärkete uns im Gedanken, dass der Chowkidar die Gelegenheit wahrnehmen will, um ein für indische Verhältnisse gar nicht so kleines Vermögen zu machen. Selbstverständlich zeigte sich am folgenden Morgen niemand unglücklich, als wir die Stätte ohne Erledigung der Formalitäten verliessen.
Nachtessen bei der Kontrollstelle an der Brücke
Der Verwalter solcher Gasthäser sorgt normalerweise auch für die Verköstigung seiner Gäste. Wir wurden jedoch auf die entsprechenden Einrichtungen im Dorf verwiesen, so dass wir nach Erledigung der täglichen Wäsche noch einen kleinen Spaziergang durch das Dorf unternahmen und schliesslich auf ein paar wenige Verpflegungsstätten am andern Ende der Ortschaft trafen. Dort, an der Brücke über den Flusses, befindet sich auch eine Kontrollstelle für die Busse und Lastwagen und natürlicherweise nutzen einige Imbissbudenbesitzer die Gunst dieser Situation, um die wartenden Passagiere als Kunden zu bewirten.
Tal nördlich von Ani Tal nördlich von Ani  Nik am Jalori Jut Nik am Jalori Jut
Aufstieg zum Jalori Jut, Kilometerstein Kullu = 97 km Aufstieg zum Jalori Jut, Kilometerstein Kullu = 97 km
Nik und Urs im Aufstieg zum Jalori Jut Nik und Urs im Aufstieg zum Jalori Jut
Urs auf dem Scheitelpunkt des Jalori Jut Scheitelpunkt des Jalori Jut Dorf in der Abfahrt vom Jalori Jut Dorf am Jalori Jut
Dörfer in der Abfahrt vom Jalori Jut Dörfer in der Abfahrt vom Jalori Jut
  Guest House in Larji Guest House in Larji
   

Reise-Beschreibung
Auswahl der Etappen Tagebuchseiten dieser Etappe
Durch die Indischen Ebenen In den Hills nach Solan
In den Vorbergen des Himalaya Höhenkurs auf Shimla und Kufri
Auf der «Haute Route» des Himalaya nach Ladakh Ins heisse Tal des Sutlej Rivers
Erholungsurlaub in der «Touristenmetropole» Leh Über den «Jalori Jut» nach Larji
Durch die grossen Flusstäler via Kargil nach Zanskar Durch das fruchtbare Kullutal nach Manali
Mit Pferdetrek über den Shingo La zurück ins Lahaul Vorbereitungsarbeiten in Manali
Abschied von Lahaul, Erholung in Manali  
«Shopping» in Delhi und Ausflug zum «Taj Mahal»  

Foto Gallerien
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Reise in Bildern. Die in den Textteilen zur Illustration verwendeten Bilder im Grossformat in getrenntem Fenster angezeigt.
Übersicht
Startseite Himalaya-Tour. Einführung zur Reise in den indischen Himalaya und Übersicht mit Kurzbeschrieb der einzelnen Etappen.

Heinz Rüegger - 15.04.2007 HOME