Samstag, 28. Juni 1997 14

Über den Baralacha La, 4800 m


1000 Meter Höhendifferenz bis zum Baralacha La
Ein feuchtnebliger Beginn
Nach einer für uns alle gut verbrachte Nacht gingen wir den Morgen im Nebel an. Nach dem Frühstück, welches zur Hauptsache aus dem erkalteten Reis vom Vortag bestand, kombiniert mit etwas Käse, Brot und Tee, machten wir uns auf, die ca. 1000 Höhenmeter bis zum Baralacha La zu erklimmen. Das Wetter besserte sich glücklicherweise zunehmend, und die Wolken lösten sich bereits in den früheren Morgenstunden auf.
Patseo leergeräumt
Die Gebäude, welche wir am Vortag gesehen hatten, waren die letzten Überbleibsel aus einer anderen Zeit, in welcher Patseo wahrscheinlich ein Militäcamp und Strassenbaulager beherbergt hatte. Die Arbeiter und Arbeiterinnen, welche die schwere Arbeit des Strassenbaus im Himalaya erledigen, wie auch die stationierten Soldaten waren nach Vollendung ihrer Aufgabe zu neuen Gefilden aufgebrochen. Was übrig blieb, waren Fundamente und Zufahrtswege als stumme Zeugen der Pionierzeit.
Durch die Geröllfelder dutzende von km aufwärts
Das Hochtal hinter Patseo ist fast vegetationslos und geprägt durch grosse Schuttfelder mit Felbrocken verschiedenster Grösse. Die Strasse folgt anfänglich dem hier etwas breiteren Talboden, um dann in grossen Schlaufen am Hang entlang Höhe zu gewinnen. Die Streigungen waren mässig, vielleicht etwa durchschnittlich 3 %. Wir befanden uns bald einmal oberhalb von 4000 m, sodass trotz der guten und nicht allzu steilen Strasse keine Raserei angesagt war.
Durch restliche Schneefelder
Nach etwa 30 bis 25 km des Aufstieg gewahrten wir in einem vor uns liegenden Schneefeld eine dünne schwarze Spur, die musste die Strasse sein, welche uns zum See Namens Suraj Tal führen sollte. Zu diesem Zwischenziel hatten wir aber noch ein paar wenige Kilometer abzustrampeln.
Vom Suraj-See der Passhöhe entgegen
Ein See im Schnee
Die letzte Strecke bis zum Suraj See verlief durch ein Schneefeld, durch welches die Strasse geschnitten wurde. Aufgrund unserer Beobachtungen, wie hierzulande die Strassen gebaut oder unterhalten werden, liess sich leicht vorstellen, dass wesentliche Teile der Schneemassen mit blosser Schaufel von einem Heer von Strassenarbeitern beiseitegerämt worden waren. Nach passieren eines tieferen Einschnitts kam auf der rechten Seite der Strasse plötzlich der Suraj Tal (Tal ist das Hindi-Wort für See) in Sicht. Er ist gegen das Tal, welches wir hochgekommen waren durch eine natürliche Barriere abgeschlossen.
Ein letzter Anstieg zur Passhöhe
Vom Suraj Tal konnten wir die Passhöhe des Baralacha La fast schon erkennen. Die Strasse führte uns oberhalb des Sees entlang und dann in zwei weiteren Kehren rauf auf den Pass. Kurz vor dem Kulminiationspunkt, welcher in der üblichen Art und Weise mit Gebetsfahnen markiert war, kamen wir noch an einem Wellblechgebäde vorbei, an welchem mittlerweile der Zahn der Zeit ziemlich intensiv genagt hatte.
Eine Zebralandschaft
Die Berglandschaft rund um die Passöhe präsentierte sich in besonderem Gewande. Restliche Schneefelder bildeten einen scharfen Kontrast zum andersweitig schwarzen Felsuntergrund, so dass das Bild einer wahrhaften Zebralandschaft resultierte.
Runter zur einsamen Teestube auf 4500 m
Abfahrt durch diverse Furten
Die bereits am Rohtang La gemachte Beobachtung, dass die Nordseiten der Passstrassen generell von schlechterer Qualität sind, bestätigte sich wiederum am Baralacha La. Anstatt eine schnelle und bequeme Abfahrt geniessen zu können, hiess es wiederum volle Konzentration walten zu lassen, um nicht einen unangenehmen Sturz oder gar einen irreparablen technischen Defekt hinnehmen zu müssen. Zahlreich waren die Stellen, an welchen Wasser die Strasse überflutete.
Mittagessen im Zeltrestaurant
Nach Überwinden der ersten Steilstufe weitete sich das Tal zu einer Hochebene, welche jedoch bar jeglicher Vegetation war. Hier trafen wir auf einige Zelte, welche als Teestuben hergerichtet waren. In einer davon kehrten wir ein, tranken einen indischen Softdrink und liessen uns etwas einfaches zum Mittagessen richten.
«Schnellstrasse» durch Nirwana City
Durch eine enge Schlucht
Die Geröllebene wich bald einmal einer engen Schlucht, deren Wände entlang die Strasse abwärts führte und ab und zu mal die Flussseite wechselte. Nach dem Passieren dieses natülichen Hindernisses hatten wir auch einige Höhenmeter «verloren» und befanden uns wieder in einem breiteren Hochtal. Hier wuchs wieder ein wenig Gras und wir trafen auf einige nomadisierende Bauern mit ihren Viehherden aus Schafen, und teilweise Yaks, oder deren zahm gezüchtete Abkömmlinge.
Konsequenzen einer Schnellstrasse
Die Strasse im Hochtal war von relativ guter Qualität und führte in nur leichtem Gef&auuml;lle abwärts. Dies erlaubte uns ein schnelles Vorwärtskommen auf diesem Abschnitt, verleitete aber offensichtlich andere motorisierte Verkehrsteilnehmen ihre Möglichkeiten zu überschätzen. Nicht anders erklären konnten wir den angetroffenen Unfall mit einem mitten auf der Strasse auf der Seite liegenden Lastwagen, welcher erst kurz vor unserem Vorbeigehen umgekippt sein musste.
«Nirwana City»
Auf unserer Tempofahrt erschien unvermittelt eine Zeltstadt, welche aus lauter «Coca-Cola» Zelten bestand. Nik war natürlich darüber sehr erfreut, in diesem abgelegenen Tal solch deutliche Zeichen seines Lieblingsgetränkes vorzufinden. Wir nahmen an, dass es sich hier um eine Etappenstation für die Reisenden von und nach Leh handelt. Die touristische Inspiration findet sich wohlweislich in der Namensgebung wieder.
Strasse oder Bachbett?
Dass die guten und schnellen Strassenverhältnisse nicht ewig anhalten konnten war jedem der Himalayareisenden klar; dass sich die Umstände dermassen schnell ändern würden kam aber dann doch ein wenig überraschend. Auf jeden Fall nahmen der Fluss und die Strasse wieder einmal für eine gewisse Strecke denselben Verlauf. Dies hiess vorsichtig sein mit dem Steuern, oder aber Schieben des Drahtesels. Letzteres war natürlich gleichbedeutend mit mehr oder wenig nass-kalten Füssen, stand man doch mindestens bis zu den Waden im Bergwasser.
Sarchu an der Grenze zu Ladakh
Treffpunkt der Strassen in Sarchu
Unmittelbar vor Sarchu treffen wir auf einen Fluss, den eine Brücke quert. Obschon es eigentlich nur eine Strasse gibt, so ist dies doch der Treffpunkt zweier Strassen. Den Abschnitt, den wir seit Manali befahren hatten wurde durch die Organisation «Deepak Project der 70 R.C.C.» erstellt. Die Inschrift auf einer Betonwand am Strassenrand las sich wie eine unabhängige Zusammenfassung des bisher geleisteten Taten.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke wurde wir vom «Himank Project der 111 R.C.C.» in ähnlicher Weise begrüsst und wussten somit verlässlich was in den nächsten paar Tagen auf uns zu kommen sollte.
Wo ist die Tankstelle?
Viele der Inder, denen wir begegnet waren, hatten natürlich unmittelbar erkannt, dass unsere Räder mit einem geheimen Motor ausgestattet war, und dass wir in den farbigen Zylindern am Rahmen den benötigten Treibstoff mitführten. So jedenfalls kam es uns vor, als wir in Sarchu nach der auf der Karte markierten Tankstelle Ausschau hielten, um unseren Vorrat an Brennstoff für den Kocher zu ergänzen. Da wir keine ausfindig machen konnten, wandten wir uns an die Leute in einem der saisonalen Teestuben, welchen wir dann auch etwas weniges an Kerosin abkaufen konnten.
Lagerplatz in Sichtweite von Ladakh
Wir hatten wesentlich mehr Betrieb in Sarchu erwartet als angetroffen, gilt der Platz doch als Etappenhalt für die Busse, welche Leh-Manali oder umgekehrt in 2 Tagen bewältigen. Deshalb fiel es uns leicht, noch ein kleines Stück zuzufahren, bevor wir unser Camp für die Nacht errichten sollten. Dies geschah an einem schönen Platz zwischen der Strasse und dem Tsarap, dem Grenzfluss zu Ladakh.
Am Baralacha La, talauswärts Richtung Patseo Am Baralacha La, talauswärts Richtung Patseo
Nik im Aufstieg zum Baralacha La Nik im Aufstieg zum Baralacha La
Bergsee in der Nähe der Passhöhe Bergsee in der Nähe der Passhöhe
Kehrschleife im Geröllfeld am Baralacha La Schleife am Baralacha La Nik beim Passieren der Restschneefelder auf ca 4750 m Nik auf ca 4750 m
Auf der Passhöhe des Baralacha La Auf der Passhöhe des Baralacha La
Hochtal am Nordabhang des Baralacha La Hochtal am Nordabhang des Baralacha La
Hochtal mit Nomadenzelt (Teestube) Hochtal mit Nomadenzelt (Teestube)
Ein Stück der Schnellstrasse nach Sarchu Ein Stück der Schnellstrasse nach Sarchu
Furt am Ende der Schnellstrasse vor Sarchu Furt am Ende der Schnellstrasse vor Sarchu
Zusammenfassung des bereits Bewältigten Zusammenfassung des bereits Bewältigten
   

Reise-Beschreibung
Auswahl der Etappen Tagebuchseiten dieser Etappe
Durch die Indischen Ebenen Über den Rohtang La ins Lahaul
In den Vorbergen des Himalaya Durch die Täler des Lahauls
Auf der «Haute Route» des Himalaya nach Ladakh Krisentag mit Aufstieg nach Patseo
Erholungsurlaub in der «Touristenmetropole» Leh Über den Baralacha La, 4800 m
Durch die grossen Flusstäler via Kargil nach Zanskar Durch die Gata Loops und über den Lachalung La
Mit Pferdetrek über den Shingo La zurück ins Lahaul Königsetappe mit Taglang La, 5400 m
Abschied von Lahaul, Erholung in Manali Durchs Industal nach Leh
«Shopping» in Delhi und Ausflug zum «Taj Mahal»  

Foto Gallerien
Impressionen. Momente der Reise festgehalten in 59 Bildern und in getrenntem Fenster angezeigt. Bilderindex
Reise in Bildern. Die in den Textteilen zur Illustration verwendeten Bilder im Grossformat in getrenntem Fenster angezeigt.
Übersicht
Startseite Himalaya-Tour. Einführung zur Reise in den indischen Himalaya und Übersicht mit Kurzbeschrieb der einzelnen Etappen.

Heinz Rüegger - 21.04.2007 HOME