Römisches Erbe in Nordafrika

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Einführung
Es wäre absolut vermessen, an dieser Stelle eine Darstellung der Geschichte der römischen Präsenz in Nordafrika geben zu wollen. Deshalb beschränken wir uns auf ein paar wenige Stichworte, um einen Rahmen für den Besuch der historischen Stätten vor zu geben.
Phönizier und Roms Punische Kriege
Zum Zeitpunkt als Rom auf dem Tableau der Geschichte erschien befanden sich der Süden Italiens und Sizilien unter griechischer Herrschaft während das Seefahrer- und Handelsherrenvolk der Phönizier den Norden Afrikas und das westliche Mittelmeer beherrschte. Ihre wichtigste Niederlassung war das 814 v. Chr. gegründete Quart Hadasht, das wir besser unter dem Namen Karthago kennen, welches im fünften Jhr. v. Chr. um eine halbe Million Einwohner gezählt haben mag. In den sogenannten drei Punischen Kriegen im 3. und 2. Jh. v. Chr. eroberten die Römer die Vorherrschaft auf dem westlichen Mittelmeer, schwächten Karthago entscheidend und zerstörten es schliesslich 146 v. Chr. vollständig. Die nordafrikanische Region wurde zur Provincia Africa.
Römische Epoche
Das von Rom beherrschte Gebiet dehnte sich in den nachfolgenden Jahrhunderten immer weiter aus und es wurden zahlreiche Städte für verdiente Veteranen der Legionen und sonstige Einwanderer errichtet. Die Grenzen gegen die berberischen Völker im Süden werden mit Befestigungen (Limes) gesichert. Besonders gefördert wurde die Landwirtschaft mit Getreide-, Oliven- und Weinanbau, so dass Afrika bald als Kornkammer Roms bezeichnet wurde. Der wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte es einer Oberschicht, einen hohen Lebensstandard zu erreichen, der sich in den vielen Prunkbauten der heute wieder ausgegrabenen Ruinenstätten widerspiegelt. Ausgangs des 3. Jh. bahnte sich das Ende dieser Blütezeit an durch kriegerische Überfälle durch benachbarte Berberstämme. Der Zerfall des römischen Reiches zu Beginn des 5. Jh. bedeutete auch in Afrika das Aus.
Vandalen und Byzantiner
Die geschichtliche Lücke bis zur Eroberung Nordafrikas durch die arabischen Heere wurde vorerst einmal durch ein Jahrhundert der eher unrühmlichen Vandalenherrschaft geschlossen. Anschliessend, unter dem byzantinischen Kaiser Justinian wurde die ehemalige Provinz ins oströmischen Reich integriert. Um dem Druck der berberischen Stämme entgegenhalten zu können, mussten die Städte stark befestigt werden, so dass man nebst vielen in dieser Zeit errichteter Kirchen allenthalben Reste byzantinischer Forts ausmachen kann.

Tagebuchausschnitte
Djemila - die Schöne
Etwa 50 km nordöstlich von Sétif befindet sich in der lieblichen Hügellandschaft der kleinen Kabylie die wirklich beachtenswerte Ruinenstätte der römischen Siedlung Cuicul. In der Nähe befindet sich heute lediglich der kaum tausend Nasen zählende Bauernort mit dem phantastischen Namen Djemila - die Schöne.
Gegründet wurde die Stadt auf Geheiss des Kaisers Nerva als militärische Kolonie und hatte in der Folge vor allem Bedeutung als ein Zentrum landwirschaftlicher Produktion. Ihr Name Cuicul, welcher berberischen Ursprungs ist, deutet darauf hin, dass bereits vorher an gleicher Stelle eine Siedlung bestand.
Die Bauwerke der ehemaligen Stadt waren noch sehr gut erhalten oder gekonnt restauriert worden, jedenfalls konnte man die wichtigsten Gebäude sicher der festgelegten Funktion zuordnen. Selbst Details waren klar ersichtlich, beispielsweise war in den grossen Thermen die Funktionsweise des zentralen Heizungssystems problemlos nachvollziehbar. Mittels grosser Öfen wurde nicht nur Heisswasser aufbereitet, sondern ein ausgeklügeltes System von Luftschächten sorgte überall für eine angenehme Raumtemperatur. Die beiden Foren und die säulenbewehrten Strassenzüge strahlten eine dermassen authentische Urbanität aus, als schienen sie fast auf die Rückkehr der ehemaligen Bewohner zu warten.
Tiddis - Stadt der Töpfer
An der Strasse von Constantine zum Mittelmeer hin liegt eine weitere interessante Ruinenstätte. Tiddis ist wesentlich kleiner als die übrigen hier erwähnten Römerstädte und es ist vor allem die rote Farbe der Felsen und der daraus gehauenen Baumaterialien, welche es einzigartig machen. Bedeutung scheint es vor allem als eine Siedlung von Töpfern erlangt zu haben. Zumindest fand man etliche grössere Brennöfen auf dem Areal und zudem ist die ganze Gegend mit Scherben übersäht, die sich wohl auf weggekippten Ausschuss aus der Produktion zurück führen lassen.
Timgad - Stadt der römischen Legion
Timgad liegt in der Nähe von Batna in den Ausläufern des Aurèsgebirges. Die Kolonie Thamugadi wurde im Jahre 100 auf Befehl des Kaisers Trajan gegründet und durch Soldaten der dritten Legion für ihre Pensionäre errichtet. Die Stadt wurde in einem Rechteck von 324 auf 367m angelegt mit sich rechtwinklig kreuzenden Strassen. Die geometrische Strenge des Stadtplanes entspricht dem eines Heerlagers. Erst in späterer Zeit kamen ausserhalb dieses Rechteckes weitere Gebäude, wie verschiedene Thermen, Kirchen und schliesslich noch ein byzantinisches Fort dazu, die nicht mehr am Schachbrettmuster der Originalstadt ausgerichtet wurden.
Ein Besuch der Ruinenstätte ist beindruckend durch die landschaftliche Lage der Siedlung, wegen der klaren Anlage der Gründerstadt und der zahlreichen Prunkbauten. Gut in Erinnerung geblieben ist jedoch etwas ganz und gar profanes. An der Kreuzung der beiden Hauptachsen der Stadt, dem Cardo und dem Decumanus Maximus, ziemlich genau in der geometrischen Mitte der antiken Siedlung, befand sich eine grössere öffentliche Toilette, deren durch Delfine flankierte Aborte noch tadellos erhalten sind. Die Anordnung und Ausgestaltung liess erahnen, dass hier die «stinkwichtigen» Sitzungen wohl durchaus auch eine geselligere Angelegenheit waren als wir das heute bei uns kennnen.
Thuburbo Majus
Beim Marktflecken El Fahs liegen die ausgedehnten Ruinenfelder der antiken Stadt Thuburbo Majus in einer lieblichen, hügeligen Landschaft ausgebreitet. Die Siedlung hat berberische Ursprünge und war bereits unter den Puniern eine bedeutende Stadt. Kaiser Augustus gründete an deren Stelle dann eine Kolonie für die Veteranen der Legion.
Die Ausgrabungen beschränkten sich noch auf den Stadtkern und zwischen den Bauwerken breitete sich grüne Wiese aus. Es wurden nicht einmal Einwände erhoben, als wir mitten im Gelände unser Zelt für die Nacht aufstellten!
Sbeïtla - Sufetula
Die Stadt Sbeïtla liegt am südlichen Rand der Dorsaleberge am Übergang zur zentraltunesischen Steppe. Zur Römerzeit war Sufutela eine bedeutende Agrar- und Handelstadt, was sich in der Ausdehnung der Ruinenstätte deutlich widerspiegelt. Eine Besonderheit stellt die dreiteilige, den Göttern Juno, Jupiter und Minerva gewidmete, Tempelanlage auf dem Kapitol dar.
Zum Zeitpunkt unseres Besuches im Jahre 1980 fanden wir die Stätte noch weitgehend in einem naturbelassenen Zustande vor. Die antiken Gebäudereste waren noch von Bäumen und Strächern gerahmt. In der Zwischenzeit wurden weitreichende Ausgrabungen und Arbeiten zur Restauration vorgenommen.
Sbeïtla im Jahre 2005 (Fahrradtour durch Tunesien).
El Djem - Kolosseum von Thysdrus
Im Bauerndorf von El Djem, das sich in der Zwischenzeit zu einem regionalen Zentrum weiter entwickelt hat, steht erstaunlicherweise das drittgrösste Amphitheater der römischen Welt. Es ist dem Kolosseum in Rom grössenmässig fast ebenbürtig, aber wesentlich besser erhalten. Da es nicht unbedingt in einer Stadt mit einer grossen Bedeutung lag - es war Thysdrus (wer kennt es schon) und nicht etwa das bedeutende Karthago - wundert man sich über die Motivation der Verantwortlichen um einen solchen Bau zu errichten. Bis ins 17. Jahrhundert war es noch vollständig erhalten, dann schossen die Türken eine Bresche hinein, um die darin verschanzten steuerflüchtigen Berber zur Raison zu bringen. Restaurationsarbeiten garantierten die Statik des Bauwerkes und erlauben, die Arena für Sommerfestspiele mit Konzerten und Theatern zu nutzen.
Djemila - Cuicul, Algerien
Schön (djemila) gelegenes Ruinenfeld Schön (djemila) gelegenes Ruinenfeld
Theater der antiken Stadt Cuicul Theater der antiken Stadt Cuicul
Säulen über Säulen am Severusplatz Säulen über Säulen am Severusplatz
Säulenbewerter Cardo Maximus in Djemila Säulenbewerter Cardo Maximus in Djemila
Tiddis, Algerien
Torbogen in Tiddis Roter Torbogen in Tiddis
Quartiere der Töpfer von Tiddis Quartiere der Töpfer von Tiddis
Thuburbo Majus, Tunesien
Ruinenfeld der antiken Stadt Thuburbo Majus Ruinenfeld der antiken Stadt Thuburbo Majus
Tor und Kapitolstempel in Thuburbo Majus Tor und Kapitolstempel in Thuburbo Majus
Kapitelle in Thuburbo Majus Kapitelle in Thuburbo Majus
Sbeïtla - Sufutela, Tunesien
Juno, Jupiter und Minervatempel in Sbeïtla Juno-, Jupiter- und Minervatempel in Sbeïtla
Jupitertempel in Sbeïtla Junotempel in Sbeïtla Kolosseum in El Djem Kolosseum in El Djem
El Djem - Thysdrus, Tunesien
Im Innern des Kolosseums von El Djem Im Innern des Kolosseums von El Djem

Etappen der Saharareise
Sizilien. Multikulturelles Sprungbrett nach Afrika.
Arabisches Tunesien. Arabische Städte und Zivilisation.
Südtunesien. Berberburgen und Vorgeschmack auf die Wüste.
Östlicher Erg. Oasenstädte inmitten von Sanddünen.
Tassili-n-Ajjer. Durch die Oasenstädte ins Tassilimassiv.
Djanet-Tamanrasset. Fast verloren in der Sahara.
Hoggarmassiv. Tamanrasset und das Gebirge des Hoggars.
Tademaït. Kieselwüste, und Oasen In Salah und El Goléa.
Ghardaïa. Ausserordentliche Siedlungsarchitektur der Mozabiten.
Algerischer Atlas. Frühlingsgrüne Hügellandschaften.
Römisches Erbe. Antike Ruinenstädte zu Hauf.
   

Foto Galerien
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Reise in Bildern. Die in den Textteilen zur Illustration verwendeten Bilder im Grossformat in getrenntem Fenster angezeigt.
Übersicht
Startseite Saharatour. Einführung zur Saharatour und Übersicht mit Kurzbeschrieb der einzelnen Etappen.

Heinz Rüegger - 04.03.2006 HOME