Berberdörfer im Dahargebirge

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Einführung
Im Südosten Tunesiens erstreckt sich das Dahar Bergland von der Region Matmata südwärts über ca 300 km bis über die Grenze nach Libyen hinein und erreicht Höhen, die knapp unterhalb von 700m liegen. Es besteht meist aus schroff abfallenden Tafelbergen, die durch teils cañonartige, teils aber auch breite Täler unterbrochen sind. Über Jahrtausende hinweg war dies das Siedlungsgebiet von Berberstämmen, welche für teils eigenartige Siedlungsstrukturen verantwortlich zeichnen. Drei Wohntypen wollen wir hier unterscheiden und widmen jedem ein eigenes Kapitel in unserer Schilderung. Das erste davon ist den befestigten Bergdörfern westlich von Tataouine gewidmet.
Berberische Bergfestungen
In die weicheren Schichten der Tafelberge wurden von der hier ansässigen Berberbevölkerung Höhlen vorangetrieben. Dabei dienten die härteren Schichten als Decken und Böden der so entstanden Behausungen während aus dem Abraum gleichzeitig Terrassen aufgeschüttet wurden. Mehrere solche Etagen wurden jeweils übereinander angeordnet und das Ganze wurde zuoberst von einer Verteidigungsburg gekrönt. Von den drei Dörfern Guermessa, Chenini und Douiret scheint lediglich noch Chenini dauerhaft bewohnt zu sein, wahrscheinlich weil es als traditionelles Touristenziel nach wie vor genügend Einkommen erzeugt, um eine moderne Infrastruktur finanzieren zu können. In den beiden andern Dörfern wanderte die Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten komplett in die neuen, im Tal angelegten Dörfer gleichen Namens aus oder gar in die weite Welt hinaus.

Tagebuchausschnitte
Guermessa
Auf der Piste von Westen herkommend erblickten wir zuerst die Rückseite des malerisch auf zwei miteinander verbundenen Berghöckern gebauten Ortes Guermessa, den wir jedoch nicht direkt ansteuerten, sondern den Umweg über das neue Guermessa wählten. Von letzterem führt eine Piste extrem steil hinauf und endet kurz unterhalb des Verbindungssattels mit der wie immer weissen Moschee. Neben dieser befindet sich ein kleines Café, welches uns zumindest eine wohlschmeckende Omelette zum Essen anbieten konnte. Um aber Guermessa als Gourmessa positionieren zu können, braucht es doch noch ein etwas grösseres Angebot gehobener Qualität. Wir spazierten anschliessend an den Imbiss ein bisschen entlang der im Zerfall begriffenen Häuser, die teilweise erst vor recht kurzer Zeit verlassen worden waren und genossen auch den weiten Ausblick auf die umliegenden Tafelberge und in die Ebene mit Neu-Guermessa hinaus. Das äusserst sehenswerte Alt-Guermessa befindet sich noch im Abseits der organisierten Touristenströme und jeder auftauchende Fremde wird vom einzigen Führer des Ortes sehnlichst erwartet und entsprechend umworben.
Vorzeigedorf Chenini
Bereits die Grösse und Qualität der Zufahrtstrasse nach Alt-Chenini hinaus rückte unmissverständlichins Bewusstsein, dass sich dieser Ort einer grossen Anzahl von Besuchern zu erfreuen scheint. Leider fehlt es einem Teil der männlichen Jugend an einem gewissen Respekt und Anstand fremden Frauen gegenüber.
Die Wohnhöhlen mit ihren vorangebauten Mauern sind hier klar erkennbar in mehreren übereinander liegenden Reihen terrassenförmig um einen Bergsporn herum angelegt, dessen oberster Punkt durch den 900 Jahre alten Ksar besetzt ist. Ein weiterer Dorfteil befindet sich an einem zweiten Bergrücken und dazwischen liegt auf einem Sattel die oft abgebildete weiss getü,nchte malerische Moschee - und so muss man leider ebenfalls feststellen, das wohl hässlichste Gebäude der Gegend, das ausserdem mit seinen Telekommunikationsantennen das allerschönste Fotomotiv verschandelt.
Wir verliessen Chenini bei bereits untergehender Sonne auf der Strasse nach Douirat, welche kurvenreich durch ein malerisches Oued mit zahlreichen kleinen Palmengärtchen führt. In einem davon liessen wir uns gerne zur Nachtruhe nieder.
Douirat - Douiret - Douirette
Im Gegensatz zu den beiden vorgängig beschriebenen Berbersiedlungen ist Douirat nicht auf einem Sattel zwischen zwei Bergrücken angelegt, sondern theaterähnlich in den Steilabsturz eines Tafelberges eingelassen. Diese spezielle Lage erlaubt die Annäherung quasi durch die Hintertüre über eine von der Autostrasse Chenini-Douirat abgehende Piste, die man später auf einem steil auf die Anhöhe führenden Feldweg verlässt. Noch scheint nichts auf eine Siedlung hin zu weisen, bis man dann unmittelbar an der Abbruchkante steht und das malerisch gelegene Dorf unter sich in den Hang hinein gebaut erblicken kann.
Auf der untersten Siedlungsebene befindet sich am Fusse des an einen Termitenbau erinnernden Burghügels die weissgetünchte kleine Moschee und ganz zuoberst die Ruinen eines einstmals stark befestigten Ksars. Viele der Häuser machen den Eindruck, als seien diese erst vor kurzer Zeit noch bewohnt gewesen; vor einem Vierteljahrhundert jedenfalls hatten noch zahlreich Familien im alten Dorf gelebt und Frauen und Mädchen hatten das Wasser auf Eselsrücken hoch zu den ihren Höhlenwohnungen transportiert.
Moschee und Alt-Guermessa auf Höhenrücken Moschee und Alt-Guermessa auf Höhenrücken
Reihe von zerfallenen Häuser in Alt-Guermessa Reihe von zerfallenen Häuser in Alt-Guermessa
Häuser mit intakten Dachterrassen in Alt-Guermessa Häuser mit intakten Dachterrassen in Alt-Guermessa
Sandra auf der Piste zw. Guermessa und Chenini Sandra auf der Piste zw. Guermessa und Chenini
Häserzeilen vor den Wohnhöhlen in Chenini Häuserzeilen vor den Wohnhöhlen in Chenini
Moschee und altes Dorf von Chenini Moschee und altes Dorf von Chenini
Palmenhain zw. Chenini und Douiret in den Tafelbergen Palmenhain zw. Chenini und Douiret in den Tafelbergen
Unterwegs auf unbekannter Piste nach Alt-Douiret Unterwegs auf unbekannter Piste nach Alt-Douiret
«Termitenhügel» mit dem Dorf von Alt-Douiret «Termitenhügel» mit dem Dorf von Alt-Douiret
Velofahren inmitten des verlassenen Alt-Douirets Velofahren inmitten des verlassenen Alt-Douirets

Etappen der Tunesienreise
Berge der Dorsale. Antike Ruinen inmitten teils schroffer Berge.
Sbeïtla und Kasserine. Ausgegrabene und belassene Römerstädte.
Zentrale Steppenregion. Einsame Gegend reich an Phosphat.
Bergoasen. Palmenbestandenes Mides, Tamerza und Chebika.
Oasen des Djerids. Palmenoasen am Rande des Schotts el Djerid.
Berg- und Schottpisten. Berge, Pässe, Schluchten und das Schott.
Nefzaoua Oasen. Palmen in den Sanddünen des Grossen Ergs.
Tunesische Sahara. Auf Sandpisten in und durch die Sahararegion.
Berberdörfer des Dahars. Verteidigungssiedlungen in den Bergen.
Ksars und Ghorfas. Speicherburgen der Berber.
Matmata Bergland. Siedlungen mit Kraterwohnungen der Berber.
Medina und Souks. Die geschäftige Altstadt von Tunis.
La Goulette, Carthage und Sidi Bou Said. Die noblen Vororte.
   

Foto Gallerien
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Übersicht
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Heinz Rüegger - 21.01.2006 HOME