Einführung
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Das Auffahrtswochenende bot uns die willkommene Gelegenheit wieder einmal eine mehrtägige Wandertour zu unternehmen.
Wie immer zu dieser Jahreszeit stellt sich bei der Tourenplanung die wichtige Frage nach der Beschaffenheit des Geländes.
Insbesondere ist die Höhenlage der Schneegrenze ein gewichtiger Faktor. Wir haben schon etliche Stunden damit verbracht,
eine relativ kurze Passage durch weichen Schnee zu bewältigen, in welchen wir jeweils hüfttief einsanken und mehr
schlecht als recht vorwärts kamen. Günstig deshalb jeweils ein Tourenziel in der Südschweiz und nicht zu nahe
am Hauptkamm der Alpen.
In diesem Jahre entschlossen wir uns, uns die Kette der Berge zwischen dem Val Calanca und dem Valle Mesolcina vorzunehmen.
Sollte es nicht möglich sein den Höhenweg zu beschreiten, so gäbe es auf verschiedenen Hangstufen zahlreiche
Varianten, die passabel sein müssten.
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Tagebuchausschnitte
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Zum Mittagessen nach Santa Maria in Calanca
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Bei wunderschönem und warmem Frühlingswetter machten wir uns in Grono im Valle Mesolcina auf den Marsch
durch den Wald unterhalb von Castaneda. Der Wanderweg folgt nicht der direkteren Linie des mit vielen Kurven auf der
Landeskarte eingezeichneten Weges, sondern schwenkt ins Val Calanca ein und führt dann oberhalb von Castaneda
direkt nach Santa Maria in Calanca. Dieses Dorf liegt auf einem herrlichen Sonnenbalkon weit oberhalb des Misoxes und
weist nebst einer grossen Kirche auch eine bedeutende Festungsanlage mit einem mächtigen Turme auf.
Auf der Terrasse des Restaurants liessen wir uns einen feinen Brasato schmecken und genossen die Aussicht auf die
gegenüber liegenden Misoxer Berge. Die wenigen und zudem verstreuten Schneefelder die wir sahen machten uns
zuversichtlich, dass wir getrost den Höhenweg hoch über dem Calancatal einschlagen konnten.
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Auf die Pian di Renten
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Von Santa Maria in Calanca hielten wir ziemlich genau nordwärts und stiegen durch den Bosch Nadi zu den
Felsstufen unterhalb des Piz di Renten auf. Waren die Wiesen im Bergdorf noch von einem saftigen grün und
hatten die Lärchen bereits die frischen Nadeln ausgetrieben, so kamen wir mit jedem Schritt höher dem
Winter wieder näher. Waren es dann noch die frischen Triebe der Heidelbeeren, deren Anblick uns erfreute,
kamen wir bald in Regionen
in welchen die Primeln und Schlüsselblumen erst den Frühling ankündigten.
Nach einer kurzen steilen Stufen fanden wir uns unvermittelt auf einer kleinen grasigen Ebene wieder, der Pian di Renten.
Obschon bereits 1600 Höhenmeter bewältigt waren, dachten wir noch nicht daran, den schönen Platz
zum Aufschlagen des Zeltes zu benützen, sondern wandten uns den mit lichten Beständen an Lärchen
bestellten Hängen zuoberst im Calancatal zu.
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Durch Lärchenwälder unterhalb des Pizzo della Molera
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Auf bequemen Wege leicht abwärts gehend erreichten wir alsbald die Alp di Fora, welche zu einem Refugio um- und ausgebaut
ist und Berggängern Unterkunft bietet. Wir füllten am Brunnen noch die Flaschen und stiegen auf dem
schön angelegten Weg zur Cort di Settel unterhalb des Pizzo della Molera auf. Gelegentlich stellten sich kleine
Felsbänder in den Weg und der Pfad wurde schmaler und die Hänge fielen etwas steiler zum Tal hin ab.
Als etwas grösseres Hindernis hatten wir eine vom Piz di Groven herunterführende tiefe Verwerfung zu
überwinden. Der Ausstieg aus dieser schneegefüllten Runse über deren senkrechten Rand wurde uns
durch eine in die Felswand eingelassene stabile Leiter problemlos ermöglicht.
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Zeltplatz auf Motta del Perdül
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Inzwischen neigte sich der Tag dem Ende zu und als wir den grossen Kessel von Aion vor uns hatten, beschlossen wir hier
auf dem sich vom Piz di Groven herabziehenden Nordwestgrat unser Lager für die Nacht auf zu schlagen.
Zwischen grossen Felsblöcken und Heidelbeersträuchern fanden wir unter den Lärchen am
Motta del Perdül ein weiches Plätzchen. Die Temperatur sank nach dem Untergang der Sonne schnell ab,
so dass wir noch vor dem Einsetzen der Dunkelheit die schützende Wärme des Schlafsackes suchten.
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Zum Pass de Buffalora
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Kaum ergossen sich die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne auf die Gipfel des gegenüberliegenden
Torrone Alto machten wir uns wieder auf den Weg uns querten die ehemaligen Alpwiesen im grossen Kessel von Aion. Die
Pfützen und anderen kleinen Rinnsale, welche sich über den Weg ergossen hatten, waren über
Nacht alle gefroren und bildeten etliche heimtückische Gleitstellen. Da das Gelände harmlos war,
ging von diesen jedoch keine grosse Gefahr aus. Wir waren jedoch froh, dass die Felsbänder an der Cima di
Nomnom eisfrei waren, so dass wir diese etwas heikleren Stellen gefahrlos passieren konnten. Auf der Nordseite des
Westgrates des Nomnoms hatten wir dann erste aber noch feste Schneefelder zu passieren, um alsbald auf dem Pass
de Buffalora ein zu treffen. Dort öffnete sich wieder einmal der Blick nach Osten über das Valle Mesolcina
hinweg zur Misoxer Kette und durch die Lücke der Forcola hindurch gar hin zum Monte Disgrazia.
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Ausgedehnte Schneefelder nördlich des Piz de Ganan
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Die Traverse entlang der Hänge am Fil de Calvaresc war noch problemlos möglich weil nur noch wenig
Schnee lag und dieser sich allenfalls zur frühen Tageszeit und in der Schattenlage der Nordwesthänge
noch als tragfähig erwies. Der Wiederanstieg von der Alp di Calvaresc zum gleichnamigen See und weiter zum
Piz de Ganan war dann wieder schneefrei, der malerisch gelegene See jedoch war noch zur Hälfte von einer
Eisschicht bedeckt. Der Piz de Ganan, nicht viel mehr als eine Ausbuchtung im Grat der Fil de Dragiva, war leicht
zu erreichen, doch im Kessel dahinter lag viel weicher Schnee und die Traverse bis zum auf der Sonnenseite gelegenen
Bivacco di Ganan doch eher etwas auf der mühsamen Seite. Um so mehr genossen wir dann die Mittagsrast
am Südhang des Piz de Largè
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Schneefeld blockiert den Weg zum Lagh de Trescolmen
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Von der Bocchetta di Büscenel hatten wir einen schönen Blick runter auf den Ort Valbella im hintersten
Teil des Val Calanca und wollten weiter Richtung Bocchetta de Trescolmen ziehen, um am See desselbigen Namens
unser Zelt für die Nacht auf zu schlagen. Dazu hätten wir aber die Felsbänder der Motton di Largè
durchstossen müssen und gerade dort stellte sich uns ein sehr steiles Schneefeld in den Weg. Auf Grund der
fortgeschrittenen Zeit und entsprechender Erwärmung konnte ein Abrutschen desselben über die Steilflanke nicht ausgeschlossen werden, so dass
wir auf die Traversierung verzichteten und uns talwärts wandten. Auf der schönen aber kleinen Alp di Largè
stellten wir für die Nacht unser Zelt auf und genossen den langen Abend.
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Val Calanca, von Valbella nach Santa Domenica
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Das Wetter hatte sich in der Nacht leider verschlechtert, was uns den Entscheid, direkt ins Tal abzusteigen erleichterte. Durch
den Erlenwald absteigend erreichten wir die Ria de Campalesc, die wir an geeigneter Stelle - aber nicht auf der abgebildeten
Schneebrücke - überquerten und ihrem weiteren Laufe folgten.
Zwischen den Tannen hindurch konnten wir am Talausgang weit unter uns am gegenüberligenden Talhang die Siedlung von
Valbella mit der kleinen weissen Kappelle erblicken, die wir nach einem kurzen Gegenanstieg dann auch bald erreichten.
Die Strasse hinunter nach Rossa war noch vom Regen nass und es sollte noch etwas dauern, bis die Sonne wieder hervortrat.
Nach einem Frühstück im Hotel von Rossa vertrieben wir uns die Zeit bis zur Abfahrt des Busses nach Grono
noch mit einem kleinen Spaziergang durch das Tal der Calancasca bis zum malerischen Orte Santa Domenica,
von wo wir dann die lange Heimfahrt nach Zürich antraten.
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