Einführung
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Der Frühling ist, berggängerisch gesehen, eine Saison der Gegensätze. Unten im Tal steht das Gras bereits hoch
und die Felder zeigen sich gelb vom blühenden Löwenzahn oder Raps. Dann steigt man in die Höhe und mit
jedem Schritt vorwärts macht man einen Schritt rückwärts in der Zeit, zurück zum vergangen geglaubten
Winter. Das Gras wird kürzer und das Frühlingsgrün kehrt allmählich zurück zum Winterbraun, daraus spriessen
die typischen Schlüsselblumen und Aurikel oder gar Narzissen, hart am Rande der Schneefelder findet man dann gar die
allerersten Boten der wärmeren Zeit, die Schneeglöcklein und die Krokusse. Weiter oben und insbesondere in den schattigen
Nordlagen leisten mächtige Schneefelder noch hartnäckigen Widerstand und behindern den Ansturm auf die Gipfel.
Will man nicht mehr eine der Haute Route begehen oder hat man zu dieser Zeit die Tourenskis bereits eingemottet, bieten sich die
ersten Bollwerke der Alpen als lohnende Wanderziele an. Der imposant in einer imposanten Felsmauer nach Norden zum Emmental hin
abbrechende Hohgant stellt dann beispielsweise ein attraktives Tourenziel dar und bietet Gelegenheit zu einer Überschreitung und
einer aussichtsreichen Gratwanderung.
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Tagebuchausschnitte
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Fossile Relikte oder Auftakt mit Verlusten
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Samstag Morgen kurz vor sechs Uhr im Haupbahnhof in Zürich: Wir warten vor dem abfahrbereiten Zug auf dem Perron
auf unseren Kollegen Detlev, welcher sein letztes Wochenende in der Schweiz mit uns in den Bergen verbringen wollte. Doch von
ihm war leider weit und breit keine Spur auszumachen. In der Annahme, dass die Gewinnung allerletzter wichtiger wissenschaftlicher
Erkenntniss ihn doch noch von der Teilnahme an der Exkursion abgehalten hätte, bestiegen wir den Intercity nach Thun. Wie sich am
darauf folgenden Montag herausstellte, war er durchaus zur Tour bereit, aber ein Missverständnis über den konkreten
Treffpunkt verhinderte das Aufeinandertreffen. Ein kurzer Anruf über das Mobiltelefonnetz hätte uns sicher zusammen
gebracht, würden wir nicht zu der ganz selten gewordenen Spezies der handylosen Gattung gehören. Für
einmal recht schade, beinahe ein fossiles Relikt zu sein!
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Zuhinterst ins Eriztal
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Das Postauto von Thun ins Eriztal war von Wandersleuten gut besetzt und nur ganz wenige von ihnen stiegen vor der Endstation
in der Säge in Innereriz aus. Hinter Steffisburg gewann der Bus bald etwas an Höhe und wir kamen dadurch in den Genuss
eines prachtvollen Ausblickes auf Teile der Berner Vor- und Hochalpen. Weidende Kühe auf den bereits saftigen Weiden und
gewerbliche Käsereien am Wegesrande machten deutlich, dass die Milchwirtschaft hier in der Gegend noch einen der
wichtigtigeren Wirtschaftsfaktoren darstellt.
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Über den Grünenberg zum Trogenhorn
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Die dem Postauto entsteigende Menge von Wanderlustigen teilte sich rasch auf und kleine Gruppen marschierten in alle Himmelsrichtungen davon.
Während andere Wanderer noch die Wirtstube zum Trinken eines «Gaffis» aufsuchten, machten wir uns auf
nach Süden in Richtung des Grünenbergpasses. Noch vor Erreichen der Passhöhe verliessen wir den groben
und noch voll im Schatten liegenden Fahrweg und gelangten in das schöne Hochmoor von Arni, wo wir uns eine Frühstücksrast
gönnten. Oberhalb des Waldstreifens erreichten wir den Arnigrat mit seinen grossen Blöcken, der sich in gleich
schöner Weise bis zum Trogenhorn fortsetzte. Vorerst in unserem Rücken und später rechter Hand hatten wir das
tolle Panorama der Berner Hochalpen mit dem charakteristischen Dreigestirn des Eiger,
Mönchs und der Jungfrau im dessen Zentrum.
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Einsamer Steinbock am Wysschrützgrat
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Kurz nach der Einmündung des Wegleins durch die Chrinde trafen wir auf einen etwas älteren Steinbock, der keinerlei
Anstalten zeigte, die Flucht ergreifen zu wollen. Uns diente er als williges Fotosujet und wie ein Model präsentierte er
in verschiedensten Posen sein beachtliches Gehörn. Nach dem Shooting trottete er gemächlich durch die grasige
Flanke und wir hatten den Eindruck als wolle er seine Chancen bei einer etwas weiter unten grasenden Herde von Hausziegen
testen.
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Über den Wysschrüzgrat zum Hohgant
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Die Landschaften links und rechts des Gratweges könnten fast nicht gegensätzlicher sein: Nach Norden zu der
senkrechte Abbruch der hohen Flühe und zu deren Füssen die grünen Weidelandschaften mit den sanften
Hügeln des Emmentals. Nach Süden zu sind die Hänge flacher und stark durch Verkarstung geprägt.
An manchen Stellen schien in den Karrenfeldern gar keine Vegetation Fuss fassen zu können. Hinter der nahen Kette,
die sich vom Brienzerrothorn dem Ufer des Brienzersee entlang zieht, zeigten sich am Horizonte die schneebedeckten Gipfel
der Alpen in kaum entwirrbarer Fülle.
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Abstieg vom Westgipfel des Hohgants
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Am Hohgant trafen wir dann noch auf etwas grössere Schneefelder, die wir im letzten Aufstieg zu passieren hatten, um
auf den Westgipfel zu gelangen. Dieser grüsste mit einer stark überhängenden Wächte, die wir jedoch
umgehen konnten, um auf einen schmalen Weglein durch die Südflanke zu traversieren. Wir verzichteten schliesslich auf
den letzten Aufstieg zum Furggengütsch und wandten uns durch den schneegefüllten Kessel der Bröndlishütte zu,
um anschliessend durch das schöne Naturreservat wieder ins Tal zu gelangen.
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Kemmeriboden Bad
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Wie schon ein Jahr zuvor bei der Überquerung des Augstmatthornes wurde das Kemmeriboden Bad von uns als
Tagesziel auserkoren. Diesmal liessen wir uns aber nicht von der Coup-Karte zu stark verführen und unterliessen
jeglichen Versuch, das riesige Prachtsexemplar mit dem passenden Namen «Hohgant» zu bezwingen.
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