Einführung
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Für den heutigen Tag standen die beiden Pässe auf der Liste, die beide mit dem Namen des heiligen Bernhards
verknüpft sind. Zwischen ihnen liegt das Valle d'Aosta, welches, als im Prinzip französisch sprechendes aber italenisches Tal,
den Status einer autonomen Region mit gewissen Sonderrechten geniesst. Der Vormarsch der italienischen Sprache ist
jedoch nicht zu verleugnen und spiegelt sich auch in der von mir gewählten Version des Names - Aosta statt Aoste -
des Hauptortes wider.
Mit dem kleinen Umweg über einen Nebenpass und dem Schlussaufstieg durch das Tal der Isère kamen an
diesem Tag rekordverdächtige 3750 Höhenmeter zusammen. Nur gerade an den Bike-Marathons in Küblis
und Verbier - Grimentz waren es mehr gewesen, dannzumal allerdings ohne schweres Gepäck, mit tadellos organisierten
Verpflegungsposten und einem immerzu motivierenden Publikum an der Strecke.
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Tagebuchausschnitte
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Grand St-Bernard noch vor Sonnenaufgang
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Bei meiner Ankunft auf der Passhöhe des Grossen St. Bernhards lagen die Gebäude noch im Schatten der
weichenden Nacht. Nur die Spitzen der umliegenden Berge, unter denen insbesondere der majestätische Grand Golliat
hervorstach, erstrahlten bereits im Lichte der aufgehenden Sonne. Der Grenzposten zu Italien war zu dieser frühen Stunde
noch unbesetzt und die Geschäfte waren allesamt noch geschlossen. So entging mir das erhoffte reichhaltige Angebot an
Souvenirartikeln unter welchen ich insbesondere eine treffliche Auswahl an Bernhardinerhunden in allen möglichen
Grössen und Ausgestaltungen an zu treffen erwartete. Aber allzulange musste ich trotzdem nicht auf die Verkaufsstellen dieser
Plüschhündchen warten. Spätestens auf dem Kleinen St. Bernhard war deren Präsenz nicht zu
übersehen, obschon ich eigentlich bisher immer geglaubt hatte, dass es sich bei den Bernhardinerhunden um eine
Schweizer Rasse handeln würde. Aber bekanntlich soll ja gerade der Tourismus Grenzen aufheben. Es stört sich
je auch niemand an den Schwarzwälder Kuckucksuhren in den Touristenshops in Interlaken oder Grindelwald. Nicht zuletzt
fährt ja ein Postauto vom letzteren Ort über die Grosse Scheidegg auf die Schwarzwaldalp!
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Aostatal
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Der grosse Teil des Anstiegs zum Grand St-Bernard war natürlich schon am Vortage erfolgt, so dass sich heute ein ideales Verhältnis
mit kurzem Aufstieg zur Passhöhe und langer Abfahrt ins Tal nach Aosta ergab. Die Kühle des frühen Morgens
war in der rasanten Abfahrt über die einsame Strasse noch bis tief in die Knochen zu spüren. Die stark eingeschnittenen Täler lagen
im tiefen Schatten und die hoch gelegenen Dörfchen St-Rhémy und Etroubles wirkten noch unbelebt. Erst als sich der wunderschöne Blick
ins Valpelline mit den dahinter liegenden herrlichen Schneebergen öffnete, offenbarte sich die wärmende Sonne.
In Aosta, dem Hauptort und Namensgeber wurde der Talgrund erreicht. Wie auf der Walliser Seite des Grand St-Bernard wird in diesem
Talabschnitt die landwirtschaftliche Nutzung geprägt durch den Anbau von Obst und Wein auf schön terrassiertem
Gelände. Diese von Menschenhand geprägten Abschnitte mit Kulturlandschaft befindet sich aber im Wechsel mit eher
naturbelassen Waldsektoren, insbesonder dort, wo sich der Talgrund verengt und dem Feldbau wenig Platz lässt.
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Auf einer Nebenstrasse über den Colle San Carlo
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In Morgex verliess ich die durch das Tal führende Hauptstrasse und schwenkte auf die schmale Nebenstrasse über
den Colle San Carlo ein. Ich hatte mir hier nicht nur ein geringeres Verkehrsaufkommen erwartet, sondern auch schöne
Ausblicke über das Tal hinweg zum Mont Blanc. Letzteres traf leider nicht wirklich zu, verlief die Strasse doch vornehmlich
durch dichten Wald oder andere Geländehindernisse behinderten den Blick. Der San Carlo, über dessen
italienischen Namen in einem doch eher frankophonen Landstrich ich mich immer noch wundere, gilt mit seinem unterhalb
der magischen 2000er Marke liegenden Scheitelpunkt nicht als einer der grossen Alpenpässe. Weisen jedoch die grossen Namen
der Branche meist durchschnittliche Steigungen um die sechs Prozent auf, so sind es beim Karlspass doch satte zehn, was mich
einige Anstrengung und trotz der schattigen Lage viele Schweissperlen kostete. Auf der Sonnenseite dann eine herrliche,
wenn auch nicht all zu lange, Abfahrt über blumenübersätes Alpgelände auf das Plateau von La Thuile.
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Col du Petit St-Bernard
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In La Thuile wurde wieder die Hauptstrasse erreicht, welche sich alsbald in grossen Serpentinen einen Südhang
emporwindet, um beim erstaunlich authentischen und sehenswerten Weiler Pont-Serrand die Talseite zu wechseln.
Obschon kein Platzmangel auszumachen ist, scheinen sich die wenigen Häuschen dieser Ortschaft eng aneinander zu
kuscheln als wollten sie sich gegenseitig beschützen. Lediglich das kleine, weisse Kirchlein steht allein und etwas
abseits. Bemerkenswert an den meist dreigeschossigen Häusern sind die schmalen Balkönchen, welche die obersten Stockwerke
schmücken.
Nach etlichen weiteren Serpentinenkurven kam ich an einem Seelein (Lac Verney) vorbei und konnte alsbald das Hospiz des heiligen
Bernhards erkennen, welches sich in der Nähe der Passhöhe befindet. Dort steht auch ein etwas monströses Denkmal
zu Ehren des Heiligen. Mit dem Überschreiten der Staatsgrenze schien auch das Wetter zu wechseln, aber nicht zum Besten. Jedenfalls war es mit
dem schönen Sonnenschein vorerst einmal vorbei und die Berge hüllten sich für den Rest des Tages teilweise in Wolken.
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Ausblicke ins Tal der Isère
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Über die Skistation La Rosière wollen wir nicht allzuviele Worte verlieren, ausser dass man mit etwas selektiver
Wahrnehmung die tolle Lage hoch über dem Knick im Tal der Isère und die damit verbundene Aussicht durchaus
geniessen kann. Nach Westen hin erblickte man im Gegenlicht des späteren Nachmittags
tief unten im Tal den Ort Bourg-St-Maurice und am dorthin führenden Hang die
vielen spitzigen Kehren der Westrampe des Col du Petit St-Bernards. Nach Süden hin ging der Blick in den oberen und engeren
Teil des Isèretals, welches von vergletscherten Bergen gesäumt wird. Diesem wollte ich mich hinwenden und
verliess deshalb bald einmal die Hauptstrasse, um über den Weiler Le Châtelard-les-Moulins die Talstrasse
bei Ste-Foy-Tarentaise zu erreichen. Ich gelangte in der Abfahrt auf eine Höhe von knapp noch 1000 m und in der Folge hiess es, den
Wiederaufstieg mit etwa 800 Höhenmetern bis auf den Absatz mit den Stationen Tignes und Val d'Isère in Angriff zu nehmen.
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Val d'Isère, ein langer Tag neigt sich zu Ende
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Mit der Barrage de Tignes war ein entscheidender Höhenabsatz gewonnen auf welchem man dann in leichter Fahrt den
bekannten Wintersportort Val d'Isère erreichen konnte. Über den bleiern hinter der Staumauer liegenden
Lac de Chevril öffnete sich der Blick auf eine enge Klus mit dem Namen Gorges de la Daille, welche mit ihren
steil aufragenden Felswänden einen letzten landschaftlichen Höhepunkt des Tages ergab. Dahinter lag
Val d'Isère mit einem trotz der späteren Stunde noch offenen Supermarché an dessen Ortsausgang.
Hier deckte ich mich noch mit ein paar kulinarischen Köstlichkeiten ein, um mit mir auf den gelungenen Tag mit
144 Kilometern bewältigter Distanz und einer Rekordhöhendifferenz von mindestens 3748 Metern anzustossen.
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Sonnenaufgang auf dem Grand St-Bernard
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Burgenbewertes Aostatal mit Blick auf den Mont Blanc
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Aostatal mit Blick auf den Mont Blanc
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Westrampe des Passo San Carlo bei La Thuile
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Dörfchen Pont-Serrand am Petit St-Bernard
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In der Ostrampe des Col du Petit St-Bernard
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La Rosière am Petit St-Bernard und Mont Turia
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Serpentinen hinunter nach Bourg St-Maurice im Isèretal
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Kirche von Le Châtelard les Moulins
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Gorges de la Daille kurz vor Val d'Isère
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